Betrugsvorwürfe: Politikmagazin Panorama 3 sendet brisante Recherche zu falsch deklariertem Biodiesel aus China
© VerbioLeipzig - Seit Anfang 2023 gelten für Biodiesel in Deutschland neue Nachhaltigkeitsbestimmungen. Die Verwendung von frischem Palmöl ist nicht mehr zulässig. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass die neuen Regeln bei Importen aus Asien umgangen werden und durch Fake-Biodiesel hohe Gewinne erzielt werden.
Biodiesel aus Palmöl wird womöglich in China umetikettiert und als klimafreundlicher Biokraftstoff aus Reststoffen nach Europa verkauft. Das legen investigative Recherche-Ergebnisse von Panorama 3 (NDR) nahe. Verbio-Chef Claus Sauter warnt vor einer möglichen Ausweitung auf andere Industriebereiche.
Palmölbiodiesel zu Biodiesel aus Altspeisefetten und Abfällen umetikettiert und nach Europa weiterverkauft
Seit Anfang 2023 kann Biodiesel aus Palmöl in Deutschland nicht mehr auf die Erfüllung der Treibhausgasreduktionsquote (THG-Quote) angerechnet werden. Biodiesel aus Altspeisefetten und Abfällen wird hingegen sogar mit einem Anrechnungsbonus im Sinne des Klimaschutzes versehen.
Das Politikmagazin Panorama 3 (NDR) hat in seiner aktuellen Ausgabe vom 28.11.2023 über investigative Recherche-Ergebnisse zum Verdacht falsch etikettierter Biodieselimporte aus China nach Deutschland berichtet.
Demnach findet die Umetikettierung des Biodiesels nach Berichten eines Zeugen in einem Hafen auf der Insel Hainan im Südchinesischen Meer statt. Der Biodieselhändler, der anonym bleiben möchte, erklärt gegenüber Panorama 3, dass Palmölbiodiesel als Biodiesel aus Altspeisefetten oder Abfällen aus der Palmölproduktion umetikettiert und nach Europa weiterverkauft wurde.
Auslöser der Recherchen von Panorama 3 war der sprunghafte Anstieg von Importen für sogenannten fortschrittlichen Biodiesel auf Reststoffbasis aus China seit Beginn des Jahres. Dieser wurde von Marktteilnehmern beobachtet, kurz nachdem Deutschland die Regeln für die Anrechenbarkeit von Biodiesel unterschiedlicher Rohstoffbasis veränderte, um vor allem die Verwendung von Palmöl zu stoppen. Es wird seit Langem kritisiert, dass für den Anbau von Palmölplantagen Regenwald zerstört und der Klimaschutz gefährdet - statt unterstützt - wird. Seit der Gesetzesänderung ist der Import von Biodiesel aus Abfallstoffen nach Deutschland für Importeure allerdings besonders attraktiv, weil dieser doppelt auf die Reduktion von Treibhausgasen angerechnet werden kann.
„Es geht dabei wirklich um viel Geld. Das ist attraktiver als Drogenhandel“, betont der Vorstandsvorsitzende des Biotreibstoffherstellers Verbio Claus Sauter im Panorama 3-Beitrag. „Das ist ein neuer Dieselskandal: diesmal wird nicht die Hardware manipuliert, sondern der Kraftstoff. Am Ende leiden nicht nur die Biokraftstoffproduzenten, sondern die gesamte grüne Industrie in Deutschland, wenn dem kein Einhalt geboten wird“, so Sauter weiter.
Der Preisinformationsdienst Argus Media gibt für das laufende Jahr Gewinne zwischen 300 und 565 Dollar pro Tonne an. Die Gesamtgewinne dürften sich auf mehrere hundert Millionen Euro belaufen.
Sauter: Türöffner für Betrug in anderen Branchen - Gefahr von Fake-Klimaschutz steigt
Derzeit stehen vor allem die Kontrollmechanismen der Zertifizierer in der Kritik. In der EU gibt es 15 anerkannte Zertifizierungssysteme, darunter das führende International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) mit Sitz in Köln. Trotz anhaltender Betrugsvorwürfe und der Aberkennung von Nachhaltigkeitszertifikaten für mehrere chinesische Unternehmen bleibt die genaue Aufklärung unklar. ISCC überlässt die Kontrolle seinen Auditoren, die unter staatlicher Aufsicht stehen. Auditor Rüdiger Meier äußert im Panorama 3-Beitrag Zweifel an der Zertifizierung von Biokraftstoffanlagen in China. Europäische Prüfgesellschaften arbeiteten in China oft mit lokalem Personal, und ob die Regeln tatsächlich eingehalten würden, bleibe auf dem Papier unklar, so Meier.
Nicht nur die deutschen Biodieselproduzenten, sondern auch einige mittelständische Mineralölunternehmen fordern nun eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle und Transparenz in den Geschäftspraktiken.
Doch weitreichende politische Gegenmaßnahmen lassen laut Verbio bislang auf sich warten: Nach aktuellen Informationen des Bundesumweltministeriums gegenüber Argus vom 30. November 2023 strebt die Bundesregierung Maßnahmen gegen fehlerhafte Nachhaltigkeitszertifikate an. Allerdings nicht vor Umsetzung der geänderten EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III). Die Frist hierfür endet im Mai 2025.
Claus Sauter sieht eine große Gefahr darin, dass die mutmaßlichen Betrügereien in der Kraftstoffbranche auch auf andere Industriezweige übergreifen. „Dieser Betrug im großen Stil ist ein Türöffner für Betrügereien in anderen Branchen mit Nachhaltigkeitsbestrebungen. Neben dem gesamtwirtschaftlichen Schaden, der dadurch entsteht, bedeutet das auch Fake-Klimaschutz“, so Sauter im Panorama 3-Beitrag.
© IWR, 2023
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