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Energiewende-Monitoring: Experten widersprechen Gabriels "rosaroter" Bewertung

Münster – Mit Blick auf den vom Bundeskabinett am Mittwoch (18.11.2015) verabschiedeten vierten Monitoring-Bericht zur Energiewende fielen die Bewertungen des deutschen Wirtschafts- und Energieministers Sigmar Gabriel (SPD) durchweg positiv aus. Doch nun meldet sich die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zu Wort und hat bringt massive Kritikpunkte vor. Vor diesem Hintergrund scheint es, als betrachte Gabriel die Energiewende derzeit durch die sprichwörtliche "rosarote Brille".

Andreas Löschel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster und Vorsitzender der unabhängigen Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft", betont, dass die Energiewende nicht so vorankommt wie es ursprünglich geplant war und erforderlich ist. Neben Löschel sitzen noch Prof. Dr. Frithjof Staiß (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg), Prof. Dr. Georg Erdmann (TU Berlin) und Dr. Hans-Joachim Ziesing (AG Energiebilanzen) in der Kommission.

Wirtschaftsministerium mit der Energiewende rundum zufireden
Zu den zentralen Inhalten des Monitoring-Berichtes zählte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) den Aufstieg der erneuerbare Energien zur wichtigsten Stromquelle, den Rückgang des Energieverbrauchs sowie der Treibhausgasemissionen. Zudem sei die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Strompreise würden sinken. Zwar räumte Gabriel ein, dass die Energiewende nur gelingen könne, wenn man das Gesamtsystem weiter optimiere, doch unter dem Strich werden keine akuten Probleme identifiziert. Doch das sehen die Experten um Löschel und Staiß offenbar ein wenig anders.

Klimaziele werden nicht erreicht – Verkehrswende läuft in die falsche Richtung
Die Energiewende komme zwar voran, aber nicht so schnell wie ursprünglich geplant und erforderlich, erklärten die von der Bundesregierung eingesetzten Fachleute. Während in einzelnen Bereichen wie der erneuerbaren Elektrizitätserzeugung die Ziele für das Jahr 2020 erreicht oder übererfüllt werden dürften, reichen die bisherigen Fortschritte in anderen Bereichen noch nicht aus. Das gelte vor allem für das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Ein Einschätzung übrigens, die auch dem ebenfalls von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzbericht widerspricht.
Im Verkehr laufe die Entwicklung sogar in die falsche Richtung. "Um bei der Energiewende Kurs zu halten, müssen zusätzliche Maßnahmen umgehend Wirkung entfalten", betonte Löschel.

Wirksame Instrumente wie Steuerbonus für Gebäudesanierung nicht eingesetzt
Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung einen umfangreichen Katalog von Gesetzesinitiativen und Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die drohende Verfehlung des Treibhausgas-Minderungsziels zu vermeiden. Nach Einschätzung der Expertenkommission muss das Tempo der Emissionsverringerung in den wenigen Jahren bis 2020 gegenüber den bisherigen längerfristig angestrebten Minderungen mindestens verdreifacht werden. Auch beim Primärenergieverbrauch sei zur Zielerreichung mehr als eine Verdoppelung der Reduktionsrate notwendig.
Allerdings sei es bisher nicht gelungen, parlamentarische Mehrheiten gerade für vermutlich besonders wirksame Instrumente zu erzielen wie etwa die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Die Defizite liegen jetzt vor allem in der schnellen und effektiven Umsetzung der Beschlüsse. Dies gilt nicht nur für die Energieeffizienz, sondern beispielsweise auch für den Stromnetzausbau.

Fortschritte bei der Bezahlbarkeit von Strom
Aus Sicht der unabhängigen Expertenkommission sollten mögliche Verfehlungen einzelner Ziele des Energiekonzepts nicht allein der Politik zugeschrieben werden. So erschweren auch die niedrigen Weltmarktpreise für fossile Energien und für die Kohlendioxid-Emissionsrechte das Erreichen der Energiewendeziele. Dies sei jedoch keinen Grund dafür, die Ziele pauschal als zu ehrgeizig einzustufen.
Immerhin räumt die Kommission Erfolge im Hinblick auf die Bezahlbarkeit der Elektrizitätsversorgung ein. Der von der Expertenkommission vorgeschlagene Indikator zur Bezahlbarkeit, nämlich der Anteil der aggregierten Letztverbraucherausgaben für Strom am Bruttoinlandsprodukt , sei im Vorjahr von 2,5 auf 2,4 Prozent leicht gesunken. Andererseits gibt es aber auch Anzeichen dafür, dass sich der Ausgabenanstieg wieder beschleunigen könnte. Die Expertenkommission begrüßt deshalb die Bemühungen der Bundesregierung, den weiteren Anstieg der Letztverbraucherausgaben zu bremsen.

Experten wollen "konstruktiven, teilweise kritischen Dialog" fortsetzen
Die Expertenkommission will zukünftig den „konstruktiven, teilweise kritischen Dialog“ mit der Bundesregierung fortsetzen. Dass diese Zusammenarbeit fruchtbar ist, schlägt sich auch darin nieder, dass die Bundesregierung bereits zahlreiche Vorschläge aufgegriffen und umgesetzt habe.
Die Bundesregierung hat den vierten Monitoring-Bericht zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" veröffentlicht. Der Bericht wurde vom Bundeswirtschaftsministerium unter Beteiligung der anderen Ressorts erarbeitet. Zur Begleitung des Monitoring-Prozesses hat die Bundesregierung im Jahr 2011 die Expertenkommission aus unabhängigen Energieexperten berufen.

© IWR, 2015

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