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Bundesverfassungsgericht fällt richtungsweisendes Klima-Urteil mit Signalwirkung - Politik muss nachbessern

© Adobe Stock / Fotolia© Adobe Stock / FotoliaKarlsruhe, Berlin - Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Rahmen der anhängigen Klimaklagen eine richtungsweisende Entscheidung getroffen (Az.: 1 BvR 2656/18 u.a.). Die Bundesregierung muss beim Klimaschutzgesetz (KSG) deutlich nachbessern.

Die Regelungen des Klimaschutzgesetzes sind im Hinblick auf die verfassungsrechtlich bindenden Ziele des Pariser Klimaabkommens aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts in Teilen verfassungswidrig. Die Richter aus Karlsruhe haben den Gesetzgeber am heutigen Donnerstag (29.04.2021) verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 zu konkretisieren. Gegen die Klimapolitik der Bundesregierung geklagt hatten ein Bündnis von SFV, BUND und vielen Einzelklägern sowie zahlreiche Jugendliche und Erwachsene aus dem In- und Ausland.

BVerfG warnt vor radikaler Reduktionslast für nachfolgende Generationen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mehrere Klimaklagen für teilweise begründet erklärt. Das BVerfG erklärt mit seiner Entscheidung die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens letztlich für verfassungsrechtlich verbindlich.

Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a des Grundgesetzes (GG) sei dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, so das BVerfG. Um das zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht seien, so das BVerfG weiter.

Mit Blick auf Art. 20a GG erklären die Richter weiter, dass es nicht einer Generation zugestanden werden dürfe, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.

Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung der grundrechtlichen Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber sei daher verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.

Bahnbrechendes Urteil - Politik wird massiv nachbessern müssen
Der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die Einzelkläger der 2018 erhobenen Klage, der 2020 weitere Personen und Verbände mit eigenen Klagen folgten, bewerten das Urteil als einen großen Erfolg. „Das Urteil ist ein Durchbruch. Erstmals hat eine Umweltklage vor dem BVerfG Erfolg. Die Politik wird massiv nachbessern und deutlich ambitioniertere Ziele und Instrumente festsetzen müssen. Unsere Klage hat aufgezeigt, dass grundrechtlich Nullemissionen dramatisch früher nötig sind als bisher anvisiert und dass das Paris-Ziel grundrechtlich verbindlich ist“, so Professor Felix Ekardt, der zusammen mit der Fachanwältin für Verwaltungsrecht Franziska Heß die Klage vertreten hat.

Zwar habe die Politik demokratische Entscheidungsspielräume. Diese erlaubten es verfassungsrechtlich jedoch nicht, die physischen Grundlagen menschlicher Existenz aufs Spiel zu setzen und damit auch die Demokratie zu untergraben. „Genau das droht jedoch, wenn die Klimapolitik weiter so unambitioniert bleibt. Für das Klima ist das Urteil allerdings trotz aller Erfreulichkeit noch zu wenig, weil nicht mit der gebotenen Klarheit zeitnahe Nullemissionen eingefordert werden. Ob wir zusätzlich eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen, werden wir prüfen“, stellen Ekardt und Heß weitere rechtliche Schritte in Aussicht.

Hintergrund zu den Klimaklagen
Die insgesamt vier Verfassungsbeschwerden, über die das BVerfG heute geurteilt hat, richten sich unter anderem gegen das 2019 verabschiedete deutsche Klimaschutzgesetz. Das Klagebündnis von SFV, BUND und vielen Einzelklägern hatte im November 2018 Verfassungsbeschwerde wegen der deutschen Klimapolitik mit der Begründung erhoben, dass diese die Grundrechte auf Leben, Gesundheit, Existenzminimum und Eigentum verletze. Unter den Einzelklägern sind Prominente wie der Schauspieler Hannes Jaenicke, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Josef Göppel (CSU) und der Energieexperte Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Das BVerfG hat heute zugleich ähnliche Klagen Jugendlicher und Erwachsener aus dem In- und Ausland mitentschieden, die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sowie von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet seit Anfang 2020 erhoben und unterstützt wurden.


© IWR, 2021


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29.04.2021

 



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